Andacht

Andacht

Liebe Leser, 

bei einem Besuch öffnet mir eine Frau die Tür. Sie bittet mich herein und sagt sofort: „Schön, dass Sie da sind, legen Sie ab, setzen Sie sich. Ich muss Ihnen etwas sagen.“ Ich musste schmunzeln, denn noch ehe ich die Jacke ausgezogen hatte und auf dem angebotenen Stuhl saß, war sie auch schon am Erzählen. Es lag ihr etwas auf dem Herzen. Es brannte ihr sprichwörtlich auf den Nähten. Kennen Sie das? Wenn mich etwas beschäftigt, bewegt, beunruhigt oder ängstigt, dann drängt es an die Oberfläche. Also über die Lippen. Die Form der Emotionen sind dabei breit gefächert. Eines ist ihnen immer gemeinsam: es brennt. Es ist akut und duldet keinen Aufschub.

So müssen sich die Freunde um Ostern herum gefühlt haben, die zusammen auf dem Fußmarsch nach Emmaus sind. Und als die spektakuläre Begegnung mit Jesus, den sie lange nicht erkennen, vorbei ist, erinnern sie sich. Sie erinnern sich an dieses brennende, klare Gefühl, das sie unbegreiflicherweise ignoriert oder nicht erkannt haben. Sie fragen sich erstaunt über sich selbst:

Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete? (Lukas 24,32)

Sie hätten auch fragen können: Wie konnten wir das nicht merken? Wie konnten wir Jesus nicht merken?

Das kann passieren. Wenn die echten, die brennenden Emotionen überlagert sind. Mit Unsicherheit. Mit Traurigkeiten oder Trauer und all dem, was sich sonst noch auf mein Empfinden legen kann. Und da komme ich irgendwie an die guten Leidenschaften nicht heran. Sie sind wie abgetaucht, abgesunken im Brunnen aus negativen Sorgen.

Aber vielleicht lassen wir uns genau das von und mit den Emmausjüngern fragen: Wie können wir unseren Glauben merken? Wo begegnet mir Gott? Wann habe ich zuletzt tiefes Vertrauen, ein religiöses Gefühl, eine Leidenschaft in meiner Seele gespürt und vor allem erlebt und zugelassen? Manchmal hilft es, sich die überlagernden Emotionen von der Seele zu reden, damit sie wieder frei ist und Luft holen kann.

Bei meinem Besuch war es so. Als alles gesagt und ausgesprochen war, war es einen Moment still. Und dann war Raum für den Segen und ein befreites Lächeln.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest und grüße sehr herzlich,

Ihre Pfarrerin Friederike Kaltofen