Andacht

Andacht

Liebe Leser, 

kennen Sie die Werbung, wo der junge Mann der alten Dame unbedingt über die Straße helfen will? Sie steht am Straßenrand und wartet. Als die Dame aber nicht mitgehen und sich überhaupt nicht helfen lassen möchte, zieht der junge Mann – entschlossen, etwas Gutes tun zu wollen – die Dame einfach mit. Sie ist empört und wehrt sich. Es stellt sich heraus, dass sie gar nicht über die Straße will, sondern dort nur auf den Bus gewartet hat und nun dem Busfahrer wild winkt, als der Bus vorfährt und sie nicht mehr an der Haltestelle steht.

Es gibt Momente, das ist Hilfe aufdringlich, zu viel und erreicht sogar ihr Gegenteil. Damit wird der Balanceakt aus Nähe und Distanz aufgerufen. Und manchmal ist das Gleichgewicht dazwischen gar nicht so einfach.  Als ich den Monatsspruch für September?? Gelesen habe, fand ich diesen Balanceakt wieder:  Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? (Jeremia 23,23)   Kann Gott zu viel sein? Was oder welches Bedürfnis steckt hinter der Frage nach Nähe und Distanz? Es könnte der Gedanke sein:

Ich bin nicht so und auf die Weise da, wie ihr mich gerade braucht. Ich kann eventuell auch unverfügbar sein. Für euch. Ihr habt keinen Anspruch auf meine Nähe. Ich bin nicht der Erfüllungsgehilfe eurer Bitten, Gedanken, Wünsche, Klagen oder Sehnsüchte.

Ich höre euch aber sehr wohl. Denn ich kann auch einfach da sein. Für euch. Die Wirkweise Gottes bleibt somit souverän und unverfügbar bei ihm. Ich kann nur bitten.

Was mich dabei aber überrascht: es ist eine Frage! Sie verlangt eine Antwort. Und zwar von mir. Gott setzt es nicht fest, ob er da oder weg ist, sondern fragt mich, wie ich das sehe. Das ist wunderbar! Und wenn sich der junge Mann aus der Werbung die Zeit für eine Frage genommen hätte und nicht nur seinen eigenen Gedanken nachgegangen wäre, dann hätte ihm die alte Dame freundlich erklären können, dass seine Hilfe gerade gar nicht nötig ist und sich dann bei ihm bedankt, weil er es angeboten hat. Es wäre für beide gut gewesen.

Der Herr nimmt sich die Zeit für eine Nachfrage. Dann sollten wir sie uns auch nehmen. Für eine Antwort.

Eine gute und gesegnete Sommer- und Herbstzeit und seien Sie ganz herzlich gegrüßt von  Sommerzeit,
Ihre Pfarrerin Friederike Kaltofen